Allgäuer Zeitung Marktoberdorf (gehört zu Augsburger Allgemeine), 13.09.2023
Ein Weltstar musiziert mit dem JBO
Stardirigent Sir Simon Rattle kommt in die Kreisstadt, um mit dem Jugendblasorchester Marktoberdorf zu proben. Der Grund: Das Orchester ist beim Projekt „Symphonischer Hoagascht“ dabei. Wie bereiten sich die jungen Musiker darauf vor?
Von Stefanie Gronostay
Marktoberdorf Thomas Wieser leitet seit knapp 20 Jahren das Jugendblasorchester Marktoberdorf (JBO). Er hat mit seinem Ensemble schon viele Erfolge gefeiert. Aber das Projekt, das nun ansteht, bezeichnet selbst Wieser als Ritterschlag. „Wenn man mit Weltstars und den bekanntesten Dirigentenpersönlichkeiten zusammenarbeiten darf, kann man sich schon mal auf die Schulter klopfen“, sagt er. Die Rede ist von Sir Simon Rattle. Der Stardirigent kommt im Oktober persönlich nach Marktoberdorf, um zusammen mit den Musikerinnen und Musikern des JBOs zu proben. Das Jugendblasorchester hat sich nämlich bayernweit gegen 100 andere Ensembles durchgesetzt und ist beim Projekt „Symphonischer Hoagascht“ des Bayerischen Rundfunks dabei.
Sir Simon Rattle gehört wohl zu den bekanntesten und begehrtesten Dirigenten der Welt. Der gebürtige Engländer ist Ex-Chef der Berliner Philharmoniker und wird ab der kommenden Saison neuer Chefdirigent des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks (BRSO). Doch bevor es so weit ist, möchte Rattle Land und Leute in seiner neuen Heimat besser kennenlernen. Und Rattle wäre nicht Rattle, wenn er das nicht mit Musik verbinden würde – im bayerischen Fall: mit Blasmusik. „Symphonischer Hoagascht“ heißt das Projekt. Das Konzept: Die Ensembles proben zusammen mit dem BRSO. Im Juli steht 2024 ein Abschlusskonzert im Showpalast in München an.
Der Wettbewerb war nicht mal eine Stunde ausgeschrieben, da stand auch für das JBO Marktoberdorf fest: „Wir machen mit“. Innerhalb kürzester Zeit stellte das Ensemble ein Bewerbungsvideo auf die Beine, in dem sie unterschiedliche Stücke präsentierten. „Wir haben unser Gastkonzert in Reutte bei Plansee mitgeschnitten“, erzählt Wieser. Und nicht nur das: Das Orchester drehte auch ein Vorstellungsvideo. „Es kam eine Drohne zu Einsatz. Die Musiker haben das Video selbst geschnitten und eingesprochen. Das zeigt einfach den Spirit des JBOs. Die Mitglieder sprudeln vor Begeisterung“, erzählt Wieser. Doch was macht das JBO so besonders? Wieser hat auf diese Frage nicht nur eine Antwort. „Es hat noch nie ein böses Wort gegeben“, sagt er. Das Motto lautet: Harmonie durch Klang und Klang durch Harmonie. Wieser erzählt von der gemeinsamen Leidenschaft, dem Ehrgeiz, das Strahlen in den Augen der Jugendlichen, wenn sie auf der Bühne stehen.
Das Ensemble, dem etwa 90 Musikerinnen und Musiker im Alter von 13 bis 28 Jahren angehören, ist über die Grenzen von Marktoberdorf hinaus für seinen besonderen Klang bekannt. „Somit hatten wir einen Funken Hoffnung, dass wir genommen werden.“ Dieser Funken Hoffnung wurde erfüllt. Wieser erzählt, wie er von Hubert Jörg, dem Vorsitzenden des JBOs, bei sich zuhause in Steingaden überrascht wurde. „Er hat mir das Schreiben unter die Nase gehalten, in dem stand, dass wir ausgewählt wurden. Die Freude war überschwänglich.“ Dem JBO ist aber klar: Es kommt was auf uns zu. Doch Wieser ist sich sicher, dass seine Musiker das Projekt meistern. „Das Orchester ist so routiniert.“
Trotzdem ist bis zum Abschlusskonzert 2024 noch viel zu tun. „Es finden Probenwochenenden mit Berufsmusikern statt, die im JBO gespielt haben.“ Zudem besuchen Musiker des BRSOs das Jugendblasorchester. So groß die Freude über das Projekt ist: Auf das JBO kommen auch viele Kosten zu. „Wir brauchen einheitliche Uniformen, T-Shirts und Pullover“, sagt Wieser. Zudem mussten neue Instrumente gekauft werden. Insgesamt rechnet Wieser mit 30.000 bis 50.000 Euro. „Wir sind auf der Suche nach Sponsoren.“ Die Jugendlichen haben sich dafür etwas einfallen lassen. Sie haben ein Video am Forggensee gedreht, das bald auf der Internetseite des JBOs zu sehen. Zudem hat das Ensemble eine Spendenkampagne über die Internetseite www.betterplace.org gestartet.
Im Oktober steht aber erst einmal eine Probe mit Sir Simon Rattle auf dem Programm. Der Maestro kommt nach Marktoberdorf, um die Jugendlichen kennenzulernen. Das JBO spielt ein anspruchsvolles Stück: „Watchman, Tell us of The Night“. Erst dirigiert Wieser, dann übernimmt Rattle. „Im besten Fall sagt Simon Rattle: Das habe ich jetzt nicht erwartet“, motiviert Wieser sein Orchester bei der gemeinsamen Probe am Montagabend. Es ist die erste Probe nach der Sommerpause. Unter den Musikern sitzt auch die 16-jährige Tanje. Sie spielt Klarinette. Dass nun sogar Simon Rattle zur Probe kommt, „ist eine schöne Bestätigung für uns“, sagt sie. „Das JBO ist ein Geschenk für die Stadt“, sagt Stefan Beranek aus dem Vorstand. Er war als Jugendlicher selbst im JBO. Heute spielt sein Sohn mit. Und wenn Beranek hört, was das JBO spielt, dann ist das einfach „unbeschreiblich schön“.